Tandemschule

Knacknuss Medien – medienmündig oder nur medienkompetent?

Bereits vor vier Jahren hatten wir für unsere Tandem-Eltern einen Abend zu diesem Thema organisiert, nun gastierte die Referentin wieder bei uns und erläuterte am 10. März 2023 im Mesmerhuus Löhningen ihre wertvollen Gedanken zum Thema.

Mündigkeit bedeutet reife Urteilsfähigkeit.
Angela Indermaur, zertifizierte Neufeld-Kursleiterin und Beraterin sowie Referentin für Vertrauenspädagogik, liess in ihre Ausführungen Erkenntnisse der Buchautorin Paula Bleckmann sowie des kanadischen Bindungsforschers Dr. Gordon Neufeld zum Thema Reife einfliessen. Frau Bleckmann war es, welche den Begriff «medienmündig» in ihrem gleichnamigen Buch prägte.
So wie wir Kinder im Strassenverkehr sorgfältig Schritt für Schritt begleiten (eine unbeschränkte Teilnahme erfolgt notabene erst ab 18, nach bestandener Fahrprüfung), müssen unsere Kinder (schritt)weise in die Welt der digitalen Medien geführt werden.

Paula Bleckmann beschreibt diese Schritte im sogenannten «Turm der Medienmündigkeit»:
1. Ein Kind muss zuerst reichhaltige sensomotorische Erfahrungen machen können, d. h. die Umwelt real erleben, begreifen, betasten. Bildschirmerfahrungen sind eine Verarmung der Wirklichkeit und der Sinne.
2. Ein Kind soll in der realen Welt kommunikationsfähig werden.
3. Es soll seine eigene Gestaltungskraft erfahren und sich als produktiv erleben.
4. Es soll selber herstellen, bevor es konsumiert.
5. Es soll lernen, kritisch zu reflektieren.
6. Es muss lernen zu selektieren.

Medienmündigkeit hängt immer mit Reife zusammen und Reife unmittelbar mit Bindung. Kinder brauchen tiefe und sichere Bindungen an mindestens eine fürsorgliche und erwachsene Person. So wie Schokolade uns den Appetit auf gesundes und nahrhaftes Essen verdirbt, verdirbt der zu frühe Zugang zu Medien unseren Kindern den Appetit auf das, was sie wirklich brauchen: «sättigende» Bindungen, Spiel, Ruhe und den Zugang zu ihren Gefühlen.

Der Abend blieb aber nicht nur theoretisch, sondern es wurden verschiedene Ideen zum Umgang mit dem ersten Handy (z. B. Handyvertrag mit dem Jugendlichen abschliessen) und zur Gestaltung des «medialen» Familienlebens präsentiert. Angela Indermaurs Rat: Rahmenbedingungen festlegen, bevor das Medium genutzt wird, Alternativen bieten statt Medien bekämpfen, individuelle und kreative Lösungen finden.
Sogar innerhalb einer Familie könne es durchaus sein, dass nicht alle Kinder zum Thema Medien gleich behandelt werden müssen. Dies ist abhängig vom individuellen Reifegrad des jeweiligen Kindes.
Ein gesunder Weg zum Umgang mit digitalen Medien verläuft über Bilderbücher im Kleinkindalter, Hörgeschichten, Bücher, Filme (ab Schulalter) und daneben einem reichen Angebot an realen Aktivitäten (basteln, Naturerfahrungen, Musik, kochen, Sport).